Was ist Mentaltraining – und was nicht?

Ist Mental-Training Brain Training?Mentaltraining gleich Hirntraining? Oder doch nicht? Foto: Cat Branchman / flickr

Stell dir vor, du sitzt im Restaurant und bestellen eine Pizza. Der Kellner bringt dir Spaghetti und behauptet, dass dieses Nudelgericht in diesem Restaurant eben Pizza heissen würde. Das fändest du ganz schön blöd, immerhin möchtest du ja bekommen, was du bestellst.

So ähnlich kommt es mir vor, wenn ich höre, was so alles unter dem Namen „Mentaltraining“ auf dem Markt angeboten wird: Da ist oft alles mögliche drin, aber kein Mentaltraining. In der Sport-Psychologie wird nämlich sehr genau definiert, was Mentaltraining ist (und was nicht!). Wüsstest du’s?


Die Fach-Literatur teilt Techniken des psychologischen bzw. mentalen Trainings im Sport in drei Kategorien ein:

  • Atem- und Entspannungstechniken: Um im richtigen Moment gelöst, aber bereit; wach, aber nicht nervös zu sein, kommen Atemtechniken zum Einsatz. Das Gute am Atem ist: Man hat ihn immer dabei. Das Gleiche gilt für Entspannungstechniken wie PMR nach Jacobsen oder Autogenes Training. Entspannungstechniken helfen zudem, das allgemeine Stressniveau zu senken, sich zu erholen und man lernt, sich jederzeit und überall zu entspannen (z.B. um schlafen zu können).
    » mehr über Atem- und Entspannungstechniken
     
  • Selbstgespräche: Ob hörbar oder nur in Gedanken: Wir reden ständig mit uns selbst. Dies kann schaden (wenn du dir zum Beispiel sagst „oh Jesses, jetzt der Wassergraben, da habe ich bisher immer versagt“) oder helfen. Helfen kann es, indem du dir positive Dinge sagst (wie etwa „come on!“) oder sich selbst die Übung quasi vordiktierst („links, lange Kurve, warten, jetzt!“). Das Ziel ist, hilfreiche Selbstgespräche zu erarbeiten und diese im Training und im Wettkampf bewusst einzusetzen.
    » mehr über Selbstgespräche
     
  • Visualisierungs-Techniken: Sich eine Bewegung nur vorzustellen ist für unser Hirn ähnlich, wie wenn wir sie tatsächlich ausführen. Das Gleiche gilt für Gefühle: Man kann üben, im richtigen Moment die richtigen Gefühle wie etwa Selbstsicherheit und Ruhe zu haben. „Nur“ in der Vorstellung zu trainieren kann darum eine sehr gute Ergänzung zum physischen Training sein.
    » mehr über Visualisierungs-Techniken
     

Für Pingelige… ;-)

Im ganz engen Sinn versteht man den Begriff „Mentales Training“ in der Sportpsychologie wie folgt:
„…das planmässig wiederholte, bewusste „Sich-Vorstellen“ einer sportlichen Handlung ohne deren gleichzeitige praktische Anwendung“ (Quelle: Eberspächer, Mentale Trainingsformen in der Praxis). Wenn man streng sein will (und das ist die Wissenschaft nunmal), dann zählen Dinge wie Autogenes Training oder bewusste Selbstgespräche nicht zum „Mentalen Training“, wie die Wissenschaft den Begriff definiert. Pingelige reden daher gern von „psychologischem Training“ :-).

Zusätzlich zu den Techniken, die in diese drei Kategorien fallen, kann ein Mentaltrainer natürlich mit dir über deine Zielsetzungen, deine Emotionen oder ähnliches reden.

Wenn du aber im „Mentaltraining“ auf einmal etwa herumhüpfen und mit Bällen jonglieren sollen, solltest du hellhörig werden. Versteh mich nicht falsch: Natürlich macht es Sinn, seine Koordinationsfähigkeit mit Jonglieren zu trainieren. Und natürlich „trainiert“ dies auch das Hirn. Das Hirn wird aber immer trainiert: Sogar, wenn du dasitzt und diesen Artikel liest, wenn du im Kraftraum schuftest oder einen Wettkampf bestreitest, „trainiert“ und lernt dein Hirn – „Mentaltraining“ ist das alles deswegen noch lange nicht.

Nur weil das Hirn also irgend etwas dabei tut, ist nicht alles gleich „Mentaltraining“. Deshalb: Nennen wir die Pizza weiter „Pizza“, das Jonglieren „Jonglieren“, die Hypnose „Hypnose“ und mentales Training eben „Mentales Training“.

Spätestens dann, wenn du von einem „Mentaltrainer“ irgendwelche Pülverchen, Wässerchen, Kügelchen oder Pillen kaufen sollen, solltest du die Beine unter den Arm klemmen und davonrennen. Es können nämlich drei Dinge passieren:

  • Nichts. Dann hast du viel Geld und Hoffnung investiert und nichts bekommen.
  • Ein negativer Effekt. Dann hast du viel Geld und Hoffnung investiert, und es geht dir danach schlechter als vorher.
  • Ein positiver Effekt. Dann bist du mit grosser Wahrscheinlichkeit gedopt. Und auch wenn du Freizeitsportler bist oder in einer Organisation, die sich nicht um die Vorgaben der WADA schert: Die meisten Substanzen, die die Leistung signifikant steigern, bergen nicht zu unterschätzende gesundheitliche Risiken. Kennst du diese für die Substanz, die dir verkauft wurde?

Kurz: Natürlich darfst du Medikamente nehmen – schulmedizinische und gern auch alternativ-medizinische, wie es deinem Geschmack entspricht. Kräuter, Tees und Wickel können sehr gut helfen. Aber nennen wir doch die Pizza „Pizza“, die Homöopathie „Homöopathie“, das Jonglieren „Jonglieren“ und das mentale Training „mentales Training“.

Literaturtipp: J+S – Psyche: Theoretische Grundlagen und praktische Beispiele im BaSpo-Shop.


 
Katrin Bretscher, Mentaltrainerin Zürich

Wer schreibt hier?

Mein Name ist Katrin Bretscher, ich bin Mentaltrainerin für Sportler und "normale Menschen". Ich habe meine Praxis mit dem Namen "Power & Balance" in Zürich.

Ich habe ursprünglich an der ETH Informatik studiert und von Ballett über Karate bis Eishockey alle möglichen Sportarten trainiert. Nach verschiedenen Anstellungen und Weiterbildungen habe ich mich 2014 mit meiner eigenen Praxis selbstständig gemacht: Ich bin diplomierte Hypnose-Therapeutin, Trainerin für Autogenes Training und Mentaltrainerin.

Hier erfährst du (noch) mehr über mich.