Bühnenhypnose und wie ein Huhn hüpfen – ist das Hypnose?

Bühnenhypnose - wie ein Huhn hüpfenBühnenhypnose ist Show: Wie ein Huhn zu hüpfen ist in der Therapie eher nicht sinnvoll

Immer wieder überraschen mich Klienten mit der Frage: „Ich muss aber nicht wie ein Huhn hüpfen, oder?“ Eigentlich ja nicht überraschend: Das Fernsehen prägt vieles, so auch das Bild der Hypnose. Und weil eine Therapiesitzung langweilig zum Zuschauen wäre, zeigt man in der Bühnenhypnose halt die „spektakulären“ Effekte, die es in Trance auch noch gibt.

Vielleicht denkst auch du, man gebe die Kontrolle über sich selber ab und wisse nachher nicht, was geschehen sei. Das ist Unfug, gerade in der Therapie oder im Coaching wäre das ja auch wenig sinnvoll. Aber warum sieht es am Fernsehen dann so aus?

Wie funktioniert Bühnenhypnose?

Die meisten Hypnose-Shows beginnen damit, dass der Hypnotiseur einige Freiwillige auf die Bühne bittet. Und ich behaupte da etwas plakativ: Es gibt 2 Sorten Menschen, die sich freiwillig auf die Bühne begeben:

  • Diejenigen, die beweisen wollen, dass es nicht geht.
  • Diejenigen, die es unbedingt erleben wollen.

Oft werden die Probanden kurz interviewt und „dem Publikum vorgestellt“. Aus dem, was gesagt wird, erkennt der Hypnotiseur sehr schnell, wer in welche Gruppe gehört. Ab jetzt lässt er die „Beweiser“ einfach links liegen. Die Zuschauer werden von dem, was er mit den Übrigen macht, so abgelenkt sein, dass sie vergessen, dass da noch andere Probanden auf der Bühne sind. Diesen Trick wenden auch Bühnenzauberer an: Sie lenken die Aufmerksamkeit der Zuschauer dorthin, wo sie sie haben wollen. Dort, wo nichts passiert, schaut auch keiner hin.

Mit den „Erleben-Wollern“ macht er nun weiter mit einigen „Tests“. Diese helfen dem Hypnotiseur abzuschätzen, wie suggestibel eine Person ist. „Suggestibel sein“ heisst, dass man für Anweisungen in Trance empfänglich ist. Suggestibilität hat nichts mit Unterwürfigkeit oder Intelligenz zu tun – sie ist einfach eine Eigenschaft wie die Körpergrösse. Jeder Mensch ist suggestibel. Nur die einen halt viel mehr als die anderen. Mit 10 Freiwilligen auf der Bühne stehen die Chancen gut, dass mindestens einer dabei ist, der unbedingt erleben will und sehr suggestibel ist. Und mit dieser Person geht die Show weiter. Alle anderen – du errätst es – werden von nun an ignoriert.

Bei der Bühnenhypnose sucht sich der Hypnotiseur also einfach den geeignetsten Probanden aus. Und damit wird das Folgende einfacher.

Gibt es die Effekte wirklich? Meint man wirklich, man sei ein Huhn?

Die kurze Antwort: Ja (es gibt sie). Und ja (man weiss aber, dass man ein Mensch ist und in Hypnose – es ist einem in diesem Moment einfach egal).

Die lange Antwort: Ja, diese Effekte gibt es. In der Bühnenhypnose werden logischerweise die Effekte ausgenutzt, die auch von aussen sichtbar sind. Wenn du etwa die Zeit anders wahrnimmst in Trance kann man das ja nicht sehen – und damit ist es für die Bühne nicht spannend. Einige Dinge, die oft demonstriert werden:

  • Katalepsie: Der Hypnotiseur hebt einen Arm des Probanden an und suggeriert ihm, dieser sei nun „eingerastet“. Auch wenn er jetzt loslässt, bleibt der Arm in der Luft. Der Proband hat das Gefühl, er könne den Arm nicht senken. Es ist, als würde sich der Arm von alleine anheben. Eine noch effektvollere Anwendung dieses Effekts ist die kataleptische Brücke: Der Proband liegt mit Füssen, Gesäss und Hinterkopf auf 3 Stühlen. Der Hypnotiseur suggeriert ihm nun, er sei steif wie ein Brett. Dann nimmt er den mittleren Stuhl weg – der Proband bleibt steif wie ein Brett liegen, obwohl er nur noch an Füssen und am Hinterkopf gestützt wird. Er selber nimmt dabei kaum einen Kraftaufwand wahr: Es ist, als würde es von selbst geschehen.
  • Schmerzfreiheit: In tiefer Trance spürt man keinen Schmerz mehr. Das ist ein ganz normaler Effekt, der in vielen indigenen Kulturen in der Medizin verwendet wird. Auf der Bühne kann man einen Probanden, nun fast beliebig in die Haut kneifen, ohne dass das für ihn schmerzhaft wäre. Zum Vergleich wird oft der gleiche „Test“ bei einer Person gemacht, die nicht in Trance ist.
  • Auf ein Stichwort etwas machen: „Immer, wenn du das Lied «Anton aus Tirol» hörst, dann bist du Anton aus Tirol. Das hier ist deine Bühne, das ist dein Publikum, hier ist deine Gitarre“ – und dem Probanden dann einen Besen in die Hand drücken, der als Gitarre dient. Das geht. Das Lied beginnt, der Proband beginnt zu tanzen und „Gitarre“ zu spielen. Wenn das Lied anfängt, spürt der Proband einfach den starken Drang, sich jetzt zu fühlen wie Anton aus Tirol. Und dem gibt er nach, denn: Er will ja selber, dass es funktioniert. Er weiss zu jeder Zeit, dass er in Hypnose ist und auch, dass er auf einer Bühne hypnotisiert wird und ihm andere zuschauen. Es ist ihm in dem Moment einfach egal.
  • Amnesie: Dem Probanden suggerieren, er könne sich im Anschluss an nichts erinnern. Oder eine Zitrone essen und sie süss finden. Eigentlich fällt das in die gleiche Kategorie wie oben: Der Hypnotiseur sagt etwas, das der Proband glauben oder tun soll. Und auch das funktioniert oft sehr gut. Therapeutisch hat die Amnesie (oder die Zitrone) nach meiner Meinung keinen Nutzen. Im Gegenteil: Ich will, dass meine Klienten alles mitbekommen und sich an alles erinnern, was während der Sitzung passiert. Damit du auch danach sicher sein kannst, dass dein Problem gelöst ist. Die Bühnenhypnose hat ein anderes Ziel: Sie will einfach nur einen Effekt erzielen, der möglichst spektakulär ist. Die Konsequenzen für dich, wenn du dort Proband bist, ist für viele Show-Hypnotiseure zweitrangig: Sie sehen dich ja nach der Show nie mehr.

Du siehst: Für die Therapie ist der Nutzen dieser Effekte klein. Ich sehe keinen Grund, warum ich einen Klienten in die Haut kneifen oder auf Stühle liegen lassen sollte.

Würdest du dich für eine Show hypnotisieren lassen?

Nein. Ich würde mich auch nicht zu Show-Zwecken operieren lassen. Auch wenn der Operateur versprechen würde, nachher alles wieder ganz wie vorher zuzunähen und dass das zusammenwachsen würde und ich nichts davon merken würde. Aber ich möchte noch einige Worte sagen zu den oben erwähnten Bühnen-Hypnose-Techniken:

Die Gesetze der Physik gelten. Auch wenn du in Trance bist. Auch wenn du vielleicht keinen Schmerz spürst, wenn jemand eine Zigarette auf deiner Haut ausdrückt: Deine Haut verbrennt. Es ist zwar schon so, dass wir meist mehr können, als wir uns zutrauen (und in Trance eben über diese Grenze hinauskommen). Aber die Grenzen der Physik und damit zum Beispiel deine Muskelkraft bleiben so, wie sie sind. Es ist dein Glaube, der sich in der Trance verändert.

Natürlich fühlt sich Katalepsie in Trance anders an: Ganz ohne Anstrengung. Grundsätzlich ist eine „Kataleptische Brücke“ aber auch bei wachem Zustand für jeden gesunden Menschen kein Problem.

Weit verbreitet ist die Annahme, man könne sich nach der Sitzung an nichts erinnern. Das stimmt nicht. Amnesie kann zwar spontan auftreten bei sehr tiefen Trancen. Ich habe sie in der Praxis aber noch nie erlebt. Im Gegenteil: Ich lege Wert darauf, dass meine Klienten am Ende der Sitzung genau wissen, was wir bearbeitet haben. So können sie auch weiter zu Hause und in ihrem weiteren Alltag daran arbeiten. Und sie können ganz sicher sein, dass ihr Problem gelöst ist: Sie wissen ja jetzt, warum es da war.

Den Effekt Schmerzfreiheit dagegen kann ich mir als sehr sinnvoll in medizinischen Anwendungen vorstellen. Tatsächlich wird in vielen indigenen Kulturen die Trance als Schmerzmittel verwendet. Bei mir in der Praxis operiere ich allerdings nicht :-) . Ich ziehe es vor, dass meine Klienten bei einem Mediziner den Grund für ihre Schmerzen finden, bevor ich ihnen helfe, dieses Notfall-Signal des Körpers einfach auszuschalten.

Ein Wort zu Suggestionen

Man stellt sich das so schön vor: „Ab jetzt wirst du jede Zigarette eklig finden und nie mehr in deinem Leben eine rauchen…“. Das kann funktionieren. Tut es aber meistens langfristig nicht. Weil die Suggestion wie ein Pflaster ist, das irgendwann abfällt. Und der Grund dahinter, warum du rauchst, der ist damit noch lange nicht weg. Und damit ist die Gefahr halt gross, dass du bei einer Hypnose, die „nur“ auf Suggestionen beruht, wieder anfangen würdest zu rauchen.

Auf der Bühne müssen die Suggestionen ja nur ein paar Minuten hinhalten. Im Fall des Zitrone-Essens wird der Test sogar noch in der Trance gemacht. Die Person würde in wachem Zustand die Zitrone auch wieder sauer finden. Und auch der „Anton aus Tirol“ würde mit der Zeit seine Wirkung verlieren. Dazu noch einmal: Dieser Proband will selber, dass es funktioniert. Er wehrt sich nicht. Was während einer solchen Bühnenhypnose passiert, kannst du dir vorstellen wie eine sehr intensive Fantasiereise. Stell dir etwa vor, am Strand zu liegen. Du hörst die Wellen, spürst die Sonne… So, als wärst du wirklich da. Nur halt eben als Anton aus Tirol statt am Strand.

Man kann in Trance niemandem etwas auftragen, das er selber nicht will. Es gibt keinen Mord per Hypnose-Auftrag. Es sei denn, dass du tatsächlich gern morden würdest ;-) . Am Ende der Hypnose-Show nimmt der Hypnotiseur den Auftrag wieder weg, so dass der Proband nicht weiter auf das Stichwort (oder das Lied) reagiert. Das funktioniert auch. Hoffentlich. Meistens. Ich persönlich zweifle daran. Weil man dem Probanden zwar den Auftrag wegnehmen kann („immer wenn ich dies sage, wirst du das tun“). Man kann dem Probanden aber kaum die Erfahrung nehmen. Wie es war, als Anton aus Tirol auf der Bühne zu stehen. Und was das in einem Probanden auslöst, hat kein Bühnen-Hypnotiseur der Welt im Griff.

Das mit den Suggestionen ist also in der Therapie nicht so einfach. Sie hören mit der Zeit auf zu wirken, wenn der dahinterliegende Grund für das Rauchen (oder die Angst oder…) nicht aufgelöst wird. Leider! Ich kann dir also nicht einfach einreden, dass du ab jetzt keine Angst mehr hast vor Spinnen: Es würde nicht lang funktionieren. Eine wirkliche Lösung für deine Ängste, dein Rauchen oder deine Blockaden ist also nach wie vor die: Du schaust mit Hilfe deines Hypnose-Therapeuten hin. Du findest in der Trance den Grund und löst ihn auf. Das erfordert zwar Mitarbeit von deiner Seite, ist aber dafür nachhaltig.

Die Langzeitwirkungen der Bühnenhypnose

Lange Zeit war in unseren Breitengraden die Hypnose nicht wirklich gesellschaftsfähig. Mindestens nicht unter Wissenschaftlern und Psychologen. Obwohl man wusste, dass die Hypnose helfen kann und es sogar einen offiziellen Hypnose-Gliedverband der Psychologen-Organisation FSP gibt: In der Öffentlichkeit getummelt haben sich vor allem die Showmen und -women, die Bühnenhypnotiseure und die Esoteriker. Dies ist leider ein Effekt, der der Showhypnose zugeschrieben werden muss: Sie verzerrt das Bild davon, was Hypnose ist und kann.

Trotzdem ist Hypnose auf dem Vormarsch: Viele Psychologen wagen sich in die hypnosystemische Richtung der Psychotherapie vor, und auch im Sport ist die sogenannte „Sporthypnose“ angekommen. Vor einigen Wochen habe ich dazu für den Blog meines Mentaltrainer-Kollegen Martin Feigenwinter einen Beitrag zur Sporthypnose schreiben dürfen. Ich hoffe, ich habe damit etwas mit dem Mythos, den die Bühnenhypnose geschaffen hat, aufräumen können.

Wenn du weitere Fragen hast zur Hypnose: Schreibe mir, ich beantworte deine Fragen gern!


 
Katrin Bretscher, Mentaltrainerin Zürich

Wer schreibt hier?

Mein Name ist Katrin Bretscher, ich bin Mentaltrainerin für Sportler und "normale Menschen". Ich habe meine Praxis mit dem Namen "Power & Balance" in Zürich.

Ich habe ursprünglich an der ETH Informatik studiert und von Ballett über Karate bis Eishockey alle möglichen Sportarten trainiert. Nach verschiedenen Anstellungen und Weiterbildungen habe ich mich 2014 mit meiner eigenen Praxis selbstständig gemacht: Ich bin diplomierte Hypnose-Therapeutin, Trainerin für Autogenes Training und Mentaltrainerin.

Hier erfährst du (noch) mehr über mich.