Autogenes Training – Was ist die Mittelstufe?

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheit. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.Gedanken werden zu Taten – und mehr. Bild: © Katrin Bretscher

Die Grundstufe des Autogenen Trainings besteht aus verschiedenen Sätzen, die man sich selber immer wieder vorsagt: Etwa „meine Arme und Beine sind angenehm schwer“. Diese Sätze oder Übungen sind in der Grundstufe fix vorgegeben. In der Mittelstufe des Autogenen Trainings geht man nun dazu über, eigene „Sätze“ zu finden.

Neu ist auch das Ziel: Nach der körperlichen Entspannung in der Grundstufe geht es nun in der Mittelstufe um das Mentale, den Geist, unser Denken: Was willst du denn denken? Welcher Gedanke wäre hilfreich?

Ähnlich wie bei den Selbstgesprächen im Mental-Training geht es in der Mittelstufe des Autogenen Trainings um Affirmationen oder Autosuggestionen: Sätze, die du dir sagst, weil du sie selber glauben willst. Zum Beispiel: „Ich schaffe das“ oder „ruhig Blut tut gut“.

Wie das geht? Wie immer über unser Hirn. Und zwar so: Was das Hirn oft hört, das beginnt es zu glauben. Das funktioniert in der Werbung, die uns immer und immer wieder darauf hinweist, wie toll dieses Auto und wie lecker jene Schokolade ist. Es funktioniert als Ohrwurm, der uns dazu bringt, ein Musikstück zu kaufen. Es funktioniert auch, wenn wir Feedback von anderen erhalten: „du kannst so gut zeichnen!“ – „aus dir wird nie was werden“.

Gerade als Kinder, als wir noch nicht selber einordnen konnten, ob eine Aussage von anderen der Wahrheit entspricht, hat jeder von uns sehr viele solcher Sätze immer wieder gehört und für sich gelernt. Hilfreiche („das haben wir noch immer irgendwie geschafft“) und weniger hilfreiche („Mathe ist bei dir einfach hoffnungslos“). Ob das den Tatsachen entspricht oder nicht – man glaubt es, wenn man es nur oft genug hört, und trägt es auch als Erwachsener weiter mit sich herum.

Und in unserem Kopf geht es dann weiter: Die innere Stimme, die dir sagt „come on, das schaffst du“ – oder eben auch „es ist hoffnungslos“. Das Hirn macht nämlich keinen Unterschied zwischen dem, was dir andere sagen und dem, was du dir selber sagst! Und wenn es diesen Effekt schon gibt, dann kann man ihn auch ausnutzen: Was will ich denn glauben? „Mathe schaffe ich“ – „ich habe einen guten zweiten Aufschlag“ – „Regen liegt mir“?

In der Mittelstufe des Autogenen Trainings geht es darum, eine Affirmation oder mehrere zu erarbeiten, die man „glauben will“. Worte, die das bisher Negative ersetzen soll – auch wenn das Negative nur in Form von zufälligen Gedanken daherkommt, die stören.

Das Faltboot, in welchem Hannes Lindemann den Atlantik überquerte Foto:
Vitold Muratov / gemeinfrei

Bekanntestes Beispiel für die Wirksamkeit des Autogenen Trainings ist die Ozeanüberquerung des Arztes Hannes Lindemann: Er plante, allein mit einem Faltboot den Atlantik zu überqueren, was er auch zwei Mal erfolgreich tat. Dass er die erste Überquerung überlebte, bezeichnete er im Nachhinein als Glück, da er zwar physisch, navigatorisch und technisch vorbereitet gewesen wäre, nicht aber psychisch.

Bei seiner zweiten Überquerung, in einem noch kleineren Boot, wollte er dies ändern. Seine mentale Vorbereitung bestand aus der Mittelstufe des Autogenen Trainings, das er als seine Geheimwaffe bezeichnete: Um seine Gedanken (und damit seine Handlungen) auch in schwierigen Situationen, bei Schwächezuständen, Angst oder aufkommender Panik im Griff zu haben, prägte er sich mit der Mittelstufe des Autogenen Trainings zwei Dinge ein:

  • Ich schaffe es.
  • Kurs West.

So gelang es ihm, dass selbst im Schlafmangel-Delirium immer wieder der Gedanke „West“ aufblitzte und ihn daran erinnerte, Kompass und Kurs zu kontrollieren.

Lindemann schrieb über seine Erlebnisse, aber auch über das Autogene Training (nicht nur die Mittelstufe) Bücher und war als Dozent tätig. Die Bücher sind auch heute noch aktuell und sehr lesenswert:

„Gute Sätze“ einprägen kannst auch du dir: An was willst du dich selber immer wieder erinnern? Was ist das Wichtigste, was bei aller körperlicher und emotionaler Überforderung immer wieder als Gedanke aufblitzen soll? Und dann: Wiederholen, wiederholen, wiederholen.

Im Grunde kennst du das ja aus der Grundstufe, wo man sich z.B. immer wieder sagt „meine Arme und Beine sind angenehm schwer“. Die Mittelstufe – dein eigener Satz, deine Affirmation – lässt sich nun wunderbar einbauen. Zum Beispiel, indem du sie am Ende der Grundstufen-Übungen „anhängst“ und einfach ein paarmal für dich innerlich wiederholst: Du schaffst das!


 
Katrin Bretscher, Mentaltrainerin Zürich

Wer schreibt hier?

Mein Name ist Katrin Bretscher, ich bin Mentaltrainerin für Sportler und "normale Menschen". Ich habe meine Praxis mit dem Namen "Power & Balance" in Zürich.

Ich habe ursprünglich an der ETH Informatik studiert und von Ballett über Karate bis Eishockey alle möglichen Sportarten trainiert. Nach verschiedenen Anstellungen und Weiterbildungen habe ich mich 2014 mit meiner eigenen Praxis selbstständig gemacht: Ich bin diplomierte Hypnose-Therapeutin, Trainerin für Autogenes Training und Mentaltrainerin.

Hier erfährst du (noch) mehr über mich.